Polizeirechtsreform: Ein vorzeigbares Ergebnis
Schon anlässlich der 1. Lesung im Juni 2020 hatten sowohl der Kollege Vogt (FDP) als auch ich darauf hingewiesen: die Grundüberzeugungen in Sicherheitsfragen lagen und liegen innerhalb des Jamaikabündnisses ziemlich weit auseinander. Vor diesem Hintergrund kann sich das heute vorgelegte Ergebnis blicken lassen. Wir haben nach der umfangreichen Ausschussanhörung im November letzten Jahres noch kräftig an einigen Details des Gesetzesentwurfs herumgefeilt, so dass wir jetzt gemeinsam damit leben können.
Natürlich kommt es darauf an, dass die Landespolizei mit diesem Gesetz gut arbeiten kann. Genauso wichtig ist uns Grünen aber, dass die Bürger*innen dieses Landes ein Gesetz bekommen, das einerseits ihren Bedürfnissen nach Sicherheit Rechnung trägt, in gleichem Umfang aber auch die Erhaltung ihrer Freiheitsrechte immer im Blick hat. Auch das dient letztlich dem Ansehen der Polizei und der Akzeptanz ihrer Maßnahmen. Darin liegt der tiefere Sinn des Zitats von Benjamin Franklin: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren“. Es ist deswegen aus meiner Sicht ein wichtiges Signal, dass das Gesetz keine Befugnis zur datenschutzrechtlich brandgefährlichen Online-Durchsuchung, zur sogenannten Quellen-TKÜ und zur Vorratsdatenspeicherung enthält.
Beispielshaft will ich das Ringen um einen angemessenen Ausgleich von Sicherheit und Freiheit an der Regelung zur Identitätsfeststellung im Bereich des grenzüberschreitenden Verkehrs deutlich machen. Hier schlug das Innenministerium zunächst vor, dass solche Identitätsfeststellungen im Grenzbereich - aber auch im Bereich der großen Durchgangsstraßen des Landes - nach dem Gesetzeswortlaut „anlasslos“ durchgeführt werden können.
Schon früh wiesen wir in den Beratungen darauf hin, dass eine solche völlig verdachtsunabhängige Kontrollbefugnis die Gefahr des sogenannten Racial Profilings mit sich bringt. In der Fassung des Gesetzentwurfes zur ersten Lesung war dann zumindest schon einmal das Wort „anlasslos“ gestrichen worden. In der parlamentarischen Anhörung wiesen uns aber viele Expert*innen darauf hin, dass wir trotz der entschärften Formulierung immer noch ein veritables Problem hätten. Es kam der Vorschlag, wie im neuen Bremer Polizeirecht eine sogenannte Kontrollquittung einzuführen. Damit wird der kontrollierten Person ein Dokument für eine eventuelle spätere Überprüfung der Maßnahme in die Hand gegeben. Die kontrollierende Polizeikraft wird durch die Pflicht zur Ausstellung der Quittung angehalten, den Vorgang in Hinblick auf hinreichenden Anlass und Angemessenheit zu reflektieren.
Mit diesem Vorschlag konnten wir uns in den internen Beratungen allerdings nicht durchsetzen. Stattdessen fanden wir eine gesetzliche Lösung, die das Anknüpfen an gruppenbezogene, äußerliche Merkmale für Identitätskontrollen explizit im Landesverwaltungsgesetz ausschließt. Diese Regelung gilt jetzt nicht nur für den grenzüberschreitenden Verkehr, sondern für alle Identitätskontrollen, die nach dem Landesverwaltungsgesetz möglich sind. So sieht ein guter Kompromiss aus.
Ein beachtlicher Zugewinn im Rahmen der parlamentarischen Befassung ist auch die Ergänzung durch die sehr konkrete Regelung für den Einsatz von Vertrauenspersonen. Hier werden jetzt sehr klar definierte Leitplanken für dieses hochproblematische Instrument polizeilicher Aufklärung in kriminellen Milieus gezogen. Angesichts der Grundrechtssensibilität dieses Instruments war aus meiner Sicht eine klare gesetzliche Regelung zwingend. Das ist vor allem eine Erkenntnis, die wir aus dem laufenden Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Rockerkomplex gezogen haben.
Viele weitere Nachbesserungen am Ursprungsentwurf lassen sich nennen: Verbesserung des Berufsgeheimnisträgerschutzes, konkrete gesetzliche Vorgaben für den Einsatz von Distanz-Elektroimpulsgeräten, Evaluationspflicht für die Erprobung von elektronischer Fußfessel und Distanz-Elektroimpulsgeräten.
Insgesamt bin ich sehr froh, dass wir dieses schwierige Kapitel aus unserem Jamaika-Koalitionsvertrag jetzt mit einem sehr vorzeigbaren Ergebnis abgeschlossen haben. Mein besonderer Dank gilt den polizeipolitischen Sprechern unserer Koalition und den Mitarbeiter*innen des Innenministeriums, die uns mit großer Geduld und Sachkenntnis auf dem Weg zu einem guten Kompromiss begleitet haben.
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