Rede vom 29.06.2017: Wahlalter auf Bundesebene absenken
Ich verstehe ihren Antrag daher vor allem als Versuch, schon in der ersten Landtagssitzung mit neuer Mehrheit deutlich zu machen, dass es sich die Grünen nach ihrer Überzeugung mit Jamaika in einem „Bett gemütlich machen“, in das sie nicht gehören. Seien sie vorsichtig mit der Rolle der Anstandsdame. Ich darf sie daran erinnern, mit wem sie seit geraumer Zeit im Bund und in mehreren Bundesländern regieren. Das muss aber durchaus keine Beliebigkeit bedeuten.
Wenn sie z.B. den Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP aufmerksam lesen, stellen sie fest, dass vermeintlich paradigmatische Festlegungen bei allen Beteiligten in Bewegung geraten sind. Ich sage allein die Stichworte A 20, Ehe für alle oder Cannabis. Es macht sich eine „neue Sachlichkeit“ bemerkbar, eine erfrischende Bereitschaft, auf sehr vernunftbetonter Basis alte Überzeugungen in Frage zu stellen, neu zu denken, neu zu planen, alte Lager durch ganz praktische Maßnahmen zu überwinden.
Ein Schelm, wer denkt, liebe SPD, mit Anträgen wie dem Vorliegenden verfolgten sie allein die Absicht, uns Grüne vorzuführen. Unsere neue Koalition ist jedoch gerne bereit, ihre ernstgemeinten Initiativen ernsthaft zu diskutieren. Vielleicht werden sie sich ja noch wundern, was alles entstehen kann.
Schön ist, dass sie der neuen Landesregierung mit ihrem Anliegen Zeit geben bis zur Wahl des 20. Bundestages, also voraussichtlich 2021. Denn auf der Bundestagsebene muss die neue Landesregierung ein ziemlich dickes Brett bohren. Anders als bei uns im Lande reicht für Wahlalter 16 im Bundestag keine einfachgesetzliche Änderung aus.
Nein, es muss das Grundgesetz geändert werden, weil Art. 38 GG das aktive Wahlrecht bisher ausdrücklich an die Vollendung des 18. Lebensjahres knüpft. Daniel Günther und seine Regierung müssen also ein 2/3-Mehrheit im Bundestag organisieren, um Wahlalter 16 im Bund bei Wahlen ab 2021 zu bekommen.
Vielen Dank für das im Antrag zum Ausdruck gebrachte Vertrauen in die Wirkmächtigkeit der neuen Landesregierung. Die noch bestehende GroKo in Berlin mit SPD-Beteiligung hätte es allerdings deutlich einfacher gehabt.
Fangen wir also erst einmal bescheiden an und lassen sie uns den Antrag im Innen- und Rechtsausschuss beraten. Dort können wir z.B. mit Hilfe des Landeswahlleiters, des Landesbeauftragten für politische Bildung und durch Auskunft anderer WahlexpertInnen die zurückliegende Landtagswahl in Bezug auf das Wahlverhalten der jungen Menschen ab 16 analysieren, die hier erstmalig bei einer Landtagswahl mitwählen durften.
Aus der Presse konnte man bereits entnehmen, dass die Wahlbeteiligung dieser Alterskohorte in Schleswig-Holstein geringer gewesen sein soll als in anderen Altersgruppen. Es gibt offenbar auch signifikante Unterschiede zu anderen Bundesländern, namentlich Stadtstaaten wie Bremen, in denen Wahlalter 16 schon länger besteht.
Spannend ist für mich auch der Vergleich der Landtagswahl mit Kommunalwahlen, bei denen in Schleswig-Holstein ja schon seit längerer Zeit ab 16 gewählt werden kann. Wir sollten also am Beispiel der zurückliegenden Landtagswahl versuchen herauszufinden, ob Wahlalter 16 auch praktisch ein Gewinn für die Demokratie ist, ob es zur Verfestigung des demokratischen Systems beiträgt und welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um Wahlalter 16 auch auf der Bundesebene zu einer Erfolgsgeschichte für die Demokratie insgesamt zu machen, also nicht für einzelne Parteien.
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