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Burkhard PetersPresseMeine Reden

Rede vom 15.10.2015: Weniger Meinung, mehr Information!

Während der Kriminologe Pfeiffer faktenorientiert, differenzierend und aufklärend argumentierte, erlebte man bei Herrn Wendt eine zugespitzte, mehr von groben Argumentationsmustern geprägte Darstellung seiner polizei-gewerkschaftlichen Sicht der Dinge.

Pfeiffer wies darauf hin, dass die eigentliche Gewaltgefahr für Flüchtlingsunterkünfte nicht bei den Geflüchteten selbst zu suchen sei. Angesichts der gehäuften Brandanschläge auf geplante und auch bewohnte Flüchtlingsunterkünfte drohe Gefahr vielmehr von außen durch deutsche Täter. Diese Einschätzung wird gestützt von Bundesinnenminister De Maiziére, der letzte Woche berichtete, dass es in diesem Jahr bereits 490 Angriffe auf Asylbewerberunterkünfte gegeben hat. Im ganzen Jahr 2014 waren es noch 153, was schon schlimm genug ist. Bemerkenswert ist die Aussage des Ministers, dass 2/3 der Tatverdächtigen aus der jeweiligen Region stammten und sich bis dahin noch nichts hatten zu Schulden kommen lassen. Soviel zum Thema „Extremismus der Mitte“. Der biedere Steuerbeamte, der im Februar in Escheburg im Kreis Herzogtum Lauenburg eine Unterkunft anzündete, repräsentiert einen offenbar sehr weit verbreiteten Täter-Typ.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Polizeigewerkschaftler Wendt malte dagegen ein Bild, das von schweren Straftaten der Flüchtlinge in den Einrichtungen mit „selbstgezimmerten und mitgebrachten Waffen“ gekennzeichnet war. Er sprach von vielen sexuellen Übergriffen auf Frauen und gewalttätig ausgetragenen Konflikten zwischen verschiedenen Nationalitäten und Ethnien. Dabei verwies er auf viele ihm angeblich vorliegende Ermittlungsberichte.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

wovon müssen wir in Schleswig-Holstein ausgehen? Welche konkreten Erkenntnisse haben wir von der Sicherheitslage in unseren Einrichtungen und Unterkünften? Wie spiegelt sich die geschilderte Debatte in den Anträgen von FDP und CDU wieder? Beruhen sie auf zutreffende Analysen und enthalten sie vernünftige Rezepte?

Für die FDP scheint es schon heute eine ausgemachte Sache zu sein, dass rechtsfreie Räume und Parallelgesellschaften durch die Einwanderung von Flüchtlingen entstehen. Wofür wäre sonst z.B. der Aufbau mindestens einer weiteren Einsatzhundertschaft der Polizei vonnöten?

Bei dem Antrag der CDU kommt ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber den Flüchtenden zum Ausdruck, dass sie die Kerninhalte des Grundgesetztes nicht akzeptieren wollen. Darum soll von Geflüchteten als Voraussetzung für die Anerkennung ein Bekenntnis zum Grundgesetz abverlangt werden.

Aber: gibt es denn hinreichende Anhaltspunkte für die Behauptung, dass Flüchtlinge in Schleswig-Holstein massenhaft dem deutschen Recht entzogene Parallelgesellschaften schaffen wollen oder grundsätzlich dazu neigen, Weltbilder und Ansichten zu vertreten, die mit unserer Verfassung nicht übereinstimmen?

Oder handelt es sich bei diesen mit sorgenvoller Miene vorgetragenen Szenarien vielmehr um einen Ausdruck von Xenophobie, also Angst vor den Fremden nach dem Motto, die Menschen aus Syrien, aus dem Irak, aus Afghanistan oder Eritrea, bei denen weiß man ja nie so genau, wie die so ticken?

Meine Damen und Herren,

sind die von FDP und CDU vorgeschlagenen Rezepte - z.B. eine weitere Einsatzhundertschaft der Polizei oder ein Eid auf die Verfassung als Voraussetzung für die Anerkennung - rational begründbare Vorsorgemaßnahmen, oder handelt es sich um Scheinlösungen, die nur reflexhaft an wachsende fremdenfeindliche Stereotype in der Gesellschaft anknüpfen und sie möglicherweise auch noch bestärken? Ich tendiere bis zum Beweis des Gegenteils zu der Annahme, dass schon die dargelegten Grundannahmen Ihrer Anträge unzutreffend sind. Erst recht scheinen mir Ihre Rezepte fragwürdig.

Sehr geehrter Herr Kollege Dr. Klug,

was soll ausgerechnet eine Einsatzhundertschaft von jungen PolizeibeamtInnen, die ja für Großlagen wie Demonstrationen oder Randalespiele in Fußballstadien ausgebildet und eingesetzt werden, bei der Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung  in Erstaufnahmeeinrichtungen bewirken? Gibt es Anhaltspunkte für das Eintreten von Einsatzszenarien in Flüchtlingsunterkünften, die derartige Großeinsätze von geschlossenen Einheiten in Neumünster oder sonst wo im Lande rechtfertigen? Ich meine nein.

Ich unterstelle mal zu Ihren Gunsten, dass Sie meinen, die regulären polizeilichen Einsatzkräfte würden durch den häufigen Einsatz bei Großlagen nicht mehr ausreichend Zeit für ihre eigentlichen Aufgaben haben und müssten deswegen durch eine neue Einsatzhundertschaft entlastet werden. Das fordern Kollege Kubicki, Herr Kalinka und Sie ja schon seit einigen Jahren, und zwar völlig unabhängig von der aktuellen Flüchtlingssituation. Dann schreiben Sie das aber auch so hin! Mit dem jetzt vorliegenden Antrag suggerieren Sie, die Flüchtlinge könnten sich in ihren rechtsfreien Parallelwelten so zusammenrotten, dass man der Lage nur noch durch Einsatzhundertschaften Herr werden kann. Mit solchen Bildern heizen Sie die Stimmung gegen Flüchtlinge in diesem Land nur unnötig an.

Herr Dr. Klug, auch die Begründung Ihres Antrags zur Verhinderung rechtsfreier Räume im Zusammenhang mit der Flüchtlingsfrage ist reichlich schief. Sie berufen sich auf einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts aus dem Oktober 2014. Der bezog sich aber überhaupt nicht auf eine Parallelgesellschaft migrantischen Ursprungs. Es ging darum, ob die Durchsetzung der Schulpflicht mittels einer Strafrechtsnorm verfassungsgemäß ist. Die AdressatInnen der Entscheidung waren deutsche Evangelikale, die ihre Kinder zu Hause ausbilden wollten. Ich habe bisher noch nicht gehört, dass Geflüchtete ihre Kinder hier nicht in eine Schule schicken wollen. Bei der absoluten Mehrheit von ihnen ist das genaue Gegenteil zu beobachten. Eltern und Kinder aus Flüchtlingsfamilien sind in aller Regel überdurchschnittlich bildungsbegierig.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

in Bezug auf Kriminalität von Flüchtlingen führte der Kriminologe Pfeiffer in der eingangs erwähnten Veranstaltung aus, dass die Gruppe der Geflüchteten unterdurchschnittlich durch Kriminalität auffällt. Dies ergaben Forschungen seines Instituts aus den 1990er Jahren. Er begründete dies damit, dass Flüchtlinge im Anerkennungsverfahren in aller Regel überangepasst und unauffällig seien. Ganz einfach deswegen, weil sie sich ihre Chancen auf den Verbleib in Deutschland nicht vermasseln wollen.

Das entspricht auch meiner langjährigen Erfahrung als Anwalt im Asyl- und Ausländerrecht. Auch der Direktor der Polizeidirektion Segeberg, Herr Görs, wies letzte Woche auf der Einwohnerversammlung zum Thema Erstaufnahmeeinrichtung in Boostedt darauf hin, dass die Kriminalitätsfälle in Boostedt im Jahr 2015 im Verhältnis zu 2014 sogar zurückgegangen seien. Nur gelegentlich müssten die Polizeikräfte vor Ort bei kleineren Auseinandersetzungen in der Einrichtung schlichtend eingreifen. Im Übrigen vermittelte mir Herr Görs nicht den Eindruck, dass seine Polizistinnen und Polizisten „Missachtungen unserer rechtsstaatlichen Grundsätze oder Gewalttaten in der Einrichtung nicht konsequent mit rechtsstaatlichen Mitteln verfolgen“ würden. Herr Kollege Dr. Klug, welche Informationen liegen Ihnen vor, die das Gegenteil befürchten lassen?

Meine Damen und Herren,

auch die Annahme, Flüchtende ständen unseren Verfassungswerten in besonderer Weise distanziert bis feindlich gegenüber, erscheint mir nicht besonders schlüssig zu sein. Die meisten Flüchtlinge sehnen sich auf Grund bitterer Erfahrungen im Heimatland nach Grundrechten und verfassungsrechtlichen Garantien. So tragen es die meisten Antragstellerinnen und Antragsteller in ihren Anhörungen vor dem Bundesamt vor. Es ist sehr oft genau der Grund, warum sie gerade nach Deutschland wollen. Warum diese Flüchtlinge in besonderer Weise unseren Verfassungswerten ablehnend gegenüber stehen sollen, erscheint mir wenig plausibel.

Aus diesem Grund halte ich auch die im FDP-Antrag enthaltene Forderung zur personellen Aufstockung des Verfassungsschutzes für nicht besonders zielführend. Die Menschen aus dem vorderen Orient sind vor dem Dschihad geflohen. Warum sie ausgerechnet hier in Deutschland empfänglich für salafistische Anwerbeversuche sein sollen, konnte mir bislang niemand plausibel erklären. Soweit der Verfassungsschutz sich der feindlichen Angriffe auf Unterkünfte durch Deutsche annehmen soll, ist die Lage dadurch erschwert, dass über den größeren Teil der Tatverdächtigen nach Aussage von De Maiziére vorher keine Erkenntnisse vorliegen. Sie sind offenbar auch nicht in organisierten Bestrebungen eingebunden.

Meine Damen und Herren,

das von der CDU ins Spiel gebrachte förmliche Bekenntnis von Geflüchteten zur Verfassung ist ein Vorschlag, der wenig tauglich erscheint. Die Geflüchteten sollen noch im Anerkennungsverfahren ein Bekenntnis zu einem Text abgeben, dessen Inhalt und Bedeutung sie schon sprachlich überhaupt nicht erfassen können. Wer soll ihnen das übersetzen und erklären? Ich kann mir nicht vorstellen, wie unter den Bedingungen einer Erstaufnahmeeinrichtung Staatsbürgerkunde so vermittelt werden kann, als dass eine tragfähige Wissensgrundlage für eine Bekenntniserklärung mit weitreichenden rechtlichen Folgen geschaffen wird. Die Menschen haben nach den Strapazen und Gefahren der Flucht erst einmal völlig andere Sorgen und Nöte. Viele vordringliche Probleme müssen vorrangig geklärt werden. Würden die Menschen für den Erhalt des ersehnten Schutzstatus in Deutschland nicht alles unterschreiben, was man ihnen vorlegt? Eine unter diesen Umständen abgegebene Treuerklärung auf die Verfassung wäre das Papier nicht wert, auf dem sie unterschrieben wird. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, sie fordern eine völlig sinnlose und wertlose Unterwerfungserklärung.

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Bürgermeister Hartmut König aus Boostedt hat in einer Einwohnerfragestunde seiner Gemeinde in der letzten Woche an alle Fraktionen im Landtag appelliert, die bestehenden Probleme bei der Bewältigung der Unterbringung, Betreuung und Integration der Flüchtenden nicht für Parteiengezänk zu nutzen, sondern gemeinsam und sachorientiert an vernünftigen Lösungen zu arbeiten.

Ich verstehe diesen Appell so, dass wir uns als Abgeordnete dieses Landtags in dieser Debatte in besonderer Weise von der Vernunft leiten lassen müssen. Dazu gehört auch die ständige Bereitschaft, unsere eigenen Vorstellungen, Einstellungen und Informationen über die nach Deutschland flüchtenden Menschen, ihre Motive und ihr vorgebliches „kulturelles Gepäck“ kritisch zu überprüfen.

Angesichts der in Teilen der Bevölkerung verbreiteten Befürchtungen, Vorurteile und Abneigung gegen die Fremden wächst uns eine besondere Verantwortung in der Debatte zu. Es kommt auf den Zungenschlag an. Wir brauchen mehr Informationen, weniger Meinungen! Die unselige Asyldebatte der 1990er Jahre darf sich nicht wiederholen. Ich bitte Sie inständig, versuchen wir gemeinsam auf Grundlage einer möglichst genauen Analyse der Fakten die notwendigen Schritte und Maßnahmen zu beschließen.

Der jetzt vorliegende Änderungsantrag der Koalition zum Antrag der CDU stellt dafür eine sehr gute Grundlage dar, z.B. im Unterpunkt zur Sicherheit durch mehr Polizeikräfte. Wir werden uns im Innen- und Rechtsausschuss aber auch sehr ernsthaft mit allen anderen Vorschlägen auseinanderzusetzen haben.

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