Rede vom 19.03.2015: Wir schaffen eine angemessene und rechtssichere Behandlung von psychisch kranken Menschen
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 3– Änderung des Psychischkranken- und des Maßregelvollzugsgesetzes
Dazu sagt der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Burkhard Peters:
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen,
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch die eines behinderten oder psychisch kranken Menschen.
Man kann sogar sagen, behinderte und psychisch kranke Menschen sind in Hinblick auf Würdeverletzungen in besonderer Weise vulnerabel und schutzbedürftig.
Und jeder Mensch hat das Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Das gilt für Gesunde und Kranke, für jeden und jede. Wenn unmittelbar Gefahr im Verzug ist, müssen die bedrohten und gefährdeten Menschen geschützt zu werden. Die Allgemeinheit muss zum Beispiel bei Terrorwarnungen geschützt werden, Einzelpersonen bei Stalking. In gleicher Weise müssen potentiell Betroffene, Familie, Freunde, Nachbarn und die psychisch erkrankte Person selbst geschützt werden, wenn durch sie unmittelbar Gefahr droht. Über eine solche Gefährdung reden wir heute.
Stellen Sie sich vor, bei einer bipolaren Störung fordern Stimmen unabweislich, jemanden zu töten. Dann ist es notwendig, die erkrankte Person zwangsweise in einer geschlossenen Psychiatrie unterzubringen und zu behandeln. Unter welchen Voraussetzungen dies möglich ist, regelt das Psychisch-Kranken-Gesetz.
Ist ein Vergewaltiger aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht schuldfähig, kommt er nicht ins Gefängnis. Er wird in einer forensischen Klinik untergebracht und dort mit dem Ziel einer Besserung oder Heilung therapiert. Dies regelt das Maßregelvollzugsgesetz. Die Gesetzgebungskompetenz liegt in beiden Fällen auf der Landesebene.
Die Rechtsgüterabwägung zwischen den Freiheitsrechten des Einzelnen und den Schutzansprüchen der BürgerInnen und Bürger ist kompliziert. Mit den berührten Menschenrechten und ihrer Einschränkung muss sorgfältig und sensibel umgegangen werden. Das Bundesverfassungsgericht und der Bundesgerichtshof haben sich 2011 und 2013 umfassend mit den Voraussetzungen und Grenzen der Zwangsbehandlung in Deutschland befasst.
Eine gewichtige Rolle spielten die Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention. Gegenstand waren die Unterbringungsgesetze der Länder Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Die obersten deutschen Gerichte haben die bestehenden Regelungen als nicht grundrechtskonform bewertet und der (medizinischen) Zwangsbehandlung von psychisch kranken Menschen sehr enge Grenzen gesetzt.
Die Entscheidungen der obersten deutschen Gerichte sind auf alle Ländergesetze übertragbar. Sie haben auch für Schleswig-Holstein Relevanz. Deshalb mussten wir unsere Landesgesetze überarbeiten. Wir müssen sie im Interesse der psychisch kranken Menschen und auf verfassungsrechtlich feste Beine stellen. Genau das tut der vorliegende Gesetzentwurf. Das Gesetzgebungsverfahren hat eine ganze Weile in Anspruch genommen. Das liegt an der komplexen und schwierigen Materie.
Sozialausschuss und Innen- und Rechtsausschuss haben eine umfassende schriftliche Anhörung durchgeführt. Sehr, sehr viele Seiten waren zu lesen. Sehr viele Anregungen mussten geprüft und bewertet werden. Der federführende Sozialausschuss hat es sich mit seiner Beschlussfassung nicht leicht gemacht.
Ziffer für Ziffer sind die vorgelegten Änderungsvorschläge diskutiert und abgestimmt worden. Handlungsleitend war dabei nicht, von wem sie kamen, sondern allein das für und wider der gesetzlichen Regelungen.
Neben dem unmittelbaren Thema Zwangsbehandlung ist ein weiterer wichtiger Aspekt in die Novellierung eingeflossen. Das war uns Grünen und den Koalitionspartner ein wichtiges Anliegen. Mit der Durchführung des Maßregelvollzuges sind in Schleswig-Holstein zwei Kliniken beliehen, die diese Aufgabe schon seit vielen Jahren wahrnehmen. Das Gesundheitsministerium übt die Fachaufsicht über den Maßregelvollzug aus und stellt demokratische Legitimation dieser hoheitlichen Aufgabe sicher. Zusätzlich wird jetzt geregelt, dass Personalentscheidungen der forensischen Kliniken der Zustimmung des Ministeriums bedürfen. So ist gewährleistet, dass die staatliche Legitimationskette in Bezug auf grundrechtsinvasive Behandlungseingriffe gewährleistet ist.
Meine Kollegin Marret Bohn und ich sind uns einig, dass wir heute die Grundlage für eine angemessene und rechtssichere, zwangsweise Behandlung von psychisch kranken Menschen in Schleswig-Holstein schaffen. Schleswig-Holstein bekommt zwei gute und vor allem praktikable Gesetze. Zukünftig werden die Rechte der betroffenen Menschen besser berücksichtigt und gewahrt.
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