Rede vom 11.12.2014: Der eingeschlagene Weg ist ohne Zweifel richtig
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 10 – Landesbeamtengesetz (LBG)
Dazu sagt der innen- und rechtspolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Burkhard Peters:
Recht haben und Recht bekommen, sind bekanntlich zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Einen Vollstreckungstitel zu erstreiten, ist oft das kleinere Problem. Eine viel größere Herausforderung in der Praxis ist es, den Titel im Wege der Zwangsvollstreckung in klingende Münze umzuwandeln. Viele SchuldnerInnen sind schlicht mittellos. Sie haben kein pfändbares Gut oder Einkommen und haben die eidesstattliche Versicherung längst abgegeben, den ehemaligen Offenbarungseid. In diesen Fällen schaut die Gläubigerin oder der Gläubiger auf Dauer in die Röhre. Sie können sich den Titel einrahmen lassen und an die Wand hängen, mehr nicht.
Das ist äußerst unbefriedigend für alle Menschen, die sich ein Urteil erstritten haben und trotzdem leer ausgehen. Man kann sich natürlich fragen, warum wollen wir jetzt mit der vorliegenden Gesetzesänderung dieses Vollstreckungsrisiko nur für BeamtInnen auf Risiko des Portemonnaies der SteuerzahlerInnen abmildern.
Dafür gibt es zwei gewichtige Gründe: Die BeamtInnen, die im Verhältnis zu anderen Gläubigern besser gestellt werden sollen, haben als Vollzugskräfte des Staates ein deutlich erhöhtes Risiko, im Dienst körperlichen Angriffen und Verletzungen ausgesetzt zu sein. PolizistInnen, Strafvollzugskräfte, ZollbeamtInnen, sie alle halten für uns häufig und im Wortsinne „die Knochen hin“.
Der Zweite Grund für eine Sonderregelung für die Gruppe der Vollzugskräfte ist, dass die BeamtInnen es bei verletzungsträchtigen Auseinandersetzungen offenbar häufig mit Menschen zu tun haben, die verarmt sind. Das erhöht deutlich das Risiko, Schmerzensgeldforderungen bei dieser Personengruppe nicht vollstrecken zu können.
Es ist daher billig und gerecht, die VollzugsbeamtInnen des Staates, durch die jetzt auf den Weg gebrachte Gesetzesänderung für den Bereich unerfüllbarer Schmerzensgeldforderungen, zu entlasten. Denn für den Bereich von Sachschäden haben wir in Paragraph 83 LBG schon eine ähnliche Regelung.
Es steht auch nicht zu befürchten, dass der öffentlichen Hand ein übermäßiges finanzielles Risiko aufgebürdet wird. InteressenvertreterInnen der Polizei sprechen davon, dass in den letzten Jahren im Bereich der schleswig-holsteinischen Polizei unbezahlte Schmerzensgeldforderungen i.H.v. ungefähr 40.000 Euro aufgelaufen sind. Dieser relativ geringfügige Gesamtbetrag erklärt sich vor allem dadurch, dass nach deutscher Rechtsprechung, anders als z.B. in den USA, geradezu lächerlich geringe Schmerzensgeldbeträge für vorsätzliche und fahrlässige Verletzungen ausgeurteilt werden.
Ein paar Beispiele aus der Rechtsprechung: Für sogenannte Bagatellschäden gibt es überhaupt nichts. Das können durchaus umfangreiche Prellungen mit blauen Flecken und ein leichtes HWS-Syndrom sein. Für Blutergüsse und blutende Verletzungen an den Beinen, die verbunden werden mussten, gab es nach einem Urteil des Amtsgerichts Köln aus dem Jahr 2005 nur 250 Euro. Die Beleidigung eines Polizeibeamten als „Scheißbulle“ ergab vor dem Amtsgericht Böblingen 2006 immerhin ein Schmerzensgeld von 300 Euro. Um in den Bereich von ca. 1.500 Euro zu kommen, muss es schon eine Nasenbeinfraktur durch einen Schlag ins Gesicht sein. Für eine Schussverletzung aus nächster Nähe in den Oberkörper mit schweren Verletzungsfolgen sprach der Bundesgerichtshof 2013 ein Schmerzensgeld von 10.000 Euro zu.
Sie sehen also, dass von einer Genugtuungsfunktion, die mit dem Schmerzensgeld erzielt werden soll, in den meisten Fällen nicht wirklich die Rede sein kann. Umso ärgerlicher ist es für die betroffenen BeamtInnen, wenn selbst diese geringen Beträge mangels Zahlungsfähigkeit des Schädigers nicht vollstreckt werden können. Im Falle der - Gottseidank wenigen - schwerverletzten BeamtInnen ist es erst recht nicht zumutbar, dass sie neben den Verletzungsfolgen, offene Schmerzensgeldforderungen ertragen müssen.
Wir sind der Überzeugung, dass der Staat aus dem Gesichtspunkt der Fürsorge eine Verpflichtung hat, seine BeamtInnen vor dieser Frustration zu bewahren. Der vorliegende Änderungsvorschlag am Landesbeamtengesetz bildet eine gute Grundlage für die Lösung des Problems. Er ermöglicht auch eine Erweiterung auf nicht im Beamtenstatus stehende Vollzugskräfte.
Mit dem heute im Rahmen der Haushaltsanträge eingebrachten Entschädigungsfonds wird die gesetzliche Abhilfe auch haushälterisch hinterlegt, so dass wir gemeinsam eine tragfähige Lösung für alle in Betracht kommenden Risikofälle ermöglichen. In der Ausschussberatung werden wir noch Detailfragen zu klären haben, der eingeschlagene Weg ist aber ohne Zweifel richtig.
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