Rede vom 09.10.2014: Der direkte Wechsel vom Ministerium in den Lobbyismus muss gesetzlich verboten werden
Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 11 – Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Karenzzeit für Ministerinnen und Minister
Dazu sagt der innen- und rechtspolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Burkhard Peters:
Der direkte Wechsel vom Ministerium in den Lobbyismus muss gesetzlich verboten werden
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren.
Eckart von Klaeden, Ronald Pofalla und zuletzt Daniel Bahr - die Drehtür hat sich auf Bundesebene immer schon besonders schwungvoll gedreht. Der Fall Rezzo Schlauch zeigt, auch ein Grünes Parteibuch macht nicht immun gegen einen lukrativen Wechsel in die Wirtschaft ‚mit Geschmäckle‘
Zuletzt haben wir Grüne auf einem Bundesparteitag 2011 hier in Kiel darauf hingewiesen, dass eine Karenzfrist für ausscheidende Mitglieder einer Regierung und für das exekutive Führungspersonal verbindlich festgeschrieben werden muss, der direkte Wechsel vom Ministerium in den Lobbyismus muss gesetzlich verboten werden.
Sehr geehrte Damen und Herrn,
Mitglieder einer Regierung nehmen besonderes Vertrauen in Anspruch. Sie haben die Macht zu gestalten: politisch und finanziell. Sie benötigen in ihrem Amt Gestaltungsfreiheit und übernehmen große Verantwortung. Aus großer Macht folgt große Verantwortung. Diese Verantwortlichkeit endet nicht mit dem Ausscheiden aus dem Amt. Das gilt bereits für BeamtInnen und in vielen Arbeitsverträgen in der Wirtschaft. Die Treuepflicht wirkt auch über das Amt hinaus.
Es ist sehr bedauerlich, dass wir nun mit Andreas Breitner auch einen Fall in Schleswig-Holstein haben, der eine verbindliche Regelung unaufschiebbar macht. Der Zuschnitt seines Ministeriums und sein neuer Job sind ein Paradebeispiel dafür, warum vielen Menschen das Vertrauen in staatliche Institutionen verloren geht. Den Kredit, den sich Breitner redlich erarbeitet hat, er hat ihn mit Schwung wieder verspielt.
Niemand hat etwas dagegen, dass ehemalige MinisterInnen auch beruflich nach der Amtszeit wieder Fuß fassen. Das ist ihnen nicht nur persönlich zu wünschen, es hält das Amt auch attraktiv für Menschen, die vor dem Amt ein Leben außerhalb der Politik geführt haben und die dorthin zurückkehren möchten. Wir haben das Grundrecht auf freie Berufswahl. Nicht zuletzt entlastet die baldige Rückkehr in den Beruf die Staatskasse von Übergangsleistungen.
Dem steht aber mit dem Vertrauen in die Integrität des Staates ein eigenständiger Wert gegenüber. Niemand will eine Berufsausübung generell untersagen, noch ist es verwunderlich, dass man in Bereiche wechselt, mit denen man in seinem Amt in Berührung gekommen ist oder für die man aufgrund besonderer Expertise schon vorher qualifiziert war. Aber wenn wir uns zunehmend über Demokratiedefizit und Politikverdrossenheit unterhalten, müssen wir auch bereit sein, etwas gegen den schlechten Schein zu tun. Daher muss es eine generelle Pflicht geben, den neuen Job erst nach einem angemessenen Zeitraum nach Ausscheiden aus dem Amt zu ergreifen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
es ist kein Geheimnis, dass wir Grüne uns hier drei Jahre als Karenzzeit vorstellen können, wie wir es zuletzt auf Bundesebene und in dem bereits erwähnten Parteitagsbeschluss gefordert haben.
Es muss auch eine Entscheidungsinstanz über den konkreten Fall geben, die individuell prüft, ob eine Interessenkollision vorliegt oder gar eine Vorteilnahme im Raum steht. Wird eine Interessenkollision bejaht, heißt das ja noch lange nicht, „Spazierengehen auf Kosten des Steuerzahlers“. Entweder wir halten unsere MinisterInnen für so hoch qualifiziert, dass es ihnen möglich ist, einen Job im Anschluss zu finden oder man muss sich die Frage stellen, was sie für das Amt ursprünglich überhaupt befähigt hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
natürlich gibt es dazu viele berechtigte Fragen: Was ist ein angemessener Zeitraum? Auf Bundesebene hat sich die Große Koalition gerade gestern erst auf ein Jahr, im Sonderfall auf 18 Monate geeinigt. Das halte ich für zu kurz.
Welches Übergangsgeld zahlt man im Fall einer ausgesprochenen Sperre? Besteht eine Missbrauchsgefahr, wenn eine Nachfolgeregierung oder der Landtag über die Interessenkollision entscheidet?
Überhaupt: Wer ist die richtige Institution, diese Entscheidung zu fällen? Ob eine Entscheidung der ehemaligen Kabinettskolleginnen über die ausgeschiedenen Minister das Vertrauen in die Institutionen stärkt, ist aus Grüner Sicht zumindest fragwürdig. Regierungskontrolle übernimmt in der Regel der Landtag. Da selbst die gestrige Einigung der Großen Koalition mit einem unabhängigen Beratungsgremium weitergeht, sollte Schleswig-Holstein nicht dahinter zurückbleiben.
Meine Damen und Herren,
die Fragen sind allerdings auch nicht neu und schon lange in der Diskussion. Der von Nordrhein-Westfalen und Hamburg beschrittene Weg ist zu erwägen. Auch der vorliegende Entwurf der Piraten ist eine geeignete Arbeitsgrundlage. Zeigen wir den Mut, einen entscheidenden weiteren Schritt in der Debatte zu gehen und eine vorbildhafte Lösung in Schleswig-Holstein zu schaffen.
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