Rede vom 24.04.13 zum Thema: Staatsvertrag und Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung
Die Zeit war knapp, die Beratungen intensiv, das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Die am 10.04. im Innen- und Rechtsausschuss angehörten Experten bescheinigten durchgängig, dass der vorliegende Gesetzesentwurf die „7 Gebote“ des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 04.05.2011 konsequent umsetzt.
Im Vergleich mit Lösungen anderer Bundesländern wurde mehrfach hervorgehoben, dass der schleswig-holsteinische Entwurf den Anforderungen einer therapiegerichteten und freiheitsorientierten Sicherungsverwahrung entspricht.
An dieser Stelle sei dem Justizministerium ausdrücklich für die gute Vorarbeit gedankt.
Während der Ausschussberatungen wurden dann noch einige Anregungen aus der Anhörung aufgenommen, die Optimierungen des Entwurfs erbracht haben:
Im Bereich der Eingriffe in Rechte der Sicherungsverwahrten wird als Maßstab neben der Gefahr für die Sicherheit der Einrichtung durchgehend nur noch die „schwerwiegende Gefahr für die Ordnung“ gelten. Der Entwurf hatte zunächst vor allem bei den meisten Vorschriften über die Außenkontakte der Sicherungsverwahrten auch bei einfacher Gefahr für die Ordnung der Einschränkungen zugelassen. Insoweit haben wir uns im Ausschuss übereinstimmend darauf geeinigt, im Ordnungsbereich generell Einschränkungen nur dann zuzulassen, wenn eine schwerwiegende, also deutlich gesteigerte Gefahr für die Ordnung bestehen sollte.
Im Bereich der Disziplinarvorschriften des 15. Abschnitts wurde aus dem Katalog der zulässigen Disziplinarmaßnahmen der Arrest bis zu 4 Wochen ersatzlos gestrichen.
Ein Dauerarrest in einer gesonderten Disziplinarzelle ist mit den freiheitsorientierten Anforderungen einer modernen Sicherungsverwahrung und mit dem Abstandsgebot nicht zu vereinbaren.
Ich will nicht verhehlen, dass wir Grüne uns gewünscht hätten, dass unser Landesentwurf den Lösungen in anderen Bundesländern gefolgt wäre, auf Disziplinarmaßnahmen und Eingriffsbefugnisse wegen Gefahren für die Ordnung generell zu verzichten.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts lässt sich eher dahingehend interpretieren, dass die mehr freiheitsorientierten Lösungen in Niedersachsen, Brandenburg und Rheinland-Pfalz dem Geist der Entscheidung besser entsprechen. Aber immerhin haben wir jetzt eine deutlich entschärfte Fassung und mit dem vorgeschalteten Konfliktgespräch bei disziplinarischen Problemen sogar eine vorbildliche Lösung.
Positiv ist auch, dass die Mindestaufenthaltsdauer im Freien von 1er Stunde auf 2 Stunden täglich heraufgesetzt wurde und dass den Interessen der Tatopfer insoweit Rechung getragen wurde, dass bei der therapeutischen Arbeit mit den Sicherungsverwahrten der Aufarbeitung der Tat und ihren Auswirkungen auf die Betroffenen eine besondere Bedeutung zukommen soll.
Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich an dieser Stelle ausdrücklich für die sachlich moderierende Leitung der Ausschussberatungen durch Frau Kollegin Ostmeier bedanken. Ihr und den Ausschussmitarbeiterinnen der Landtagsverwaltung ist es gelungen, trotz des äußerst knappen Zeitrahmens eine intensive und damit angemessen differenzierte Befassung mit dem Gesetzentwurf und dem Staatsvertrag zu ermöglichen. Die Materie ist sperrig und alles andere als populär in der Außendarstellung.
Sie böte durchaus genug Gelegenheit, fragwürdigen Reflexen im Sinne einer möglichst restriktiven Regelung nachzugeben. Ich bin sehr froh, dass dies im Rahmen der Beratungen nie Thema war. Kollegin Ostmeier hat daran nach meiner Wahrnehmung einen erheblichen Anteil.
Besonders der Besuch der Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA in Fuhlsbüttel hat mich überzeugt, dass die jetzt gefundene Lösung mit Hamburg nicht nur eine Notlösung ist, sondern ein nachhaltiges Modell. Auch dies war einhellig Meinung im Ausschuss und deswegen wurde im Beschlussvorschlag einstimmig die Befürwortung auch des Staatsvertrages empfohlen.
Erlauben Sie mir, abschließend auf das Problem einzugehen, dass wir mit der gemeinsamen Regelung mit Hamburg, Schleswig-Holsteinische Sicherungsverwahrte Hamburger Vollzugsgesetzen unterstellen, indem wir sie in Hamburg unterbringen. In meiner Rede zur 1. Lesung hatte ich dazu noch auf mögliche rechtliche Komplikationen hingewiesen. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass auf der Grundlage der auf die Länder übertragenen Gesetzgebungskompetenz im Strafvollzugsrecht abweichende Landesregelungen nicht vermieden werden können.
Wenn der Föderalismus ernst gemeint ist, liegen abweichende Regelungen in der Bandbreite des verfassungsrechtlich Zulässigen in der Natur der Sache. Im vorliegenden Fall meine ich sogar, dass die Länderkonkurrenz um die beste Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts befruchtend und anregend für die Auseinandersetzungen war. Wer hätte z.B. gedacht, dass das seinerzeit schwarz-gelb regierte Niedersachsen eine besonders freiheitlich orientierte Lösung auf den Weg bringen würde.
Auch praktisch sehe ich wenig Gefahr, dass ein nach Hamburg verlegter Sicherungsverwahrter seine Rückverlegung nach SH mit Erfolg einklagen wird. Ich gehe davon aus, dass sich die konkrete Gestaltung der Sicherungsverwahrung in Hamburg schon faktisch im Sinne einer einheitlichen Umsetzung im Sinne Schleswig-Holsteins durchsetzen wird. Zum Beispiel der Wohngruppenvollzug: In Schleswig-Holstein ist er gem. § 13 als Regel vorgeschrieben, in Hamburg soll er gem. § 88 Abs. 2 lediglich im Rahmen der Organisation des Vollzugs ermöglicht werden. Bei unserem Besuch in Fuhlsbüttel wurde uns aber von der dortigen Psychologin und dem Abteilungsleiter zugesichert, dass ein therapieorientierter Vollzug selbstverständlich nur im Rahmen eines Wohngruppenvollzugs sinnvoll ist.
Insgesamt kann auch ich nur die Empfehlung aussprechen, beiden Gesetzesvorhaben heute zuzustimmen. Die weitere Entwicklung der Sicherungsverwahrung in Hamburg und Schleswig-Holstein müssen wir ohnehin kritisch begleiten und im Auge behalten.