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Burkhard PetersPresse

Bericht in der SHZ am Sonntag vom 12.10.2014: Überlegungen zum Verhältnis zwischen Strafverfolgung und Politikbetrieb von Burkhard Peters

Verstrafrechtlichung der Politik – Politisierung der Strafverfolgung ?

Die Fälle Wulff und Edathy auf der Bundesebene und die Ermittlungsverfahren gegen Susanne Gaschke, Patrick Breyer und  Waltraud Wara Wende in Schleswig-Holstein haben viel Aufmerksamkeit erregt. Vom Verdacht der Bestechlichkeit und der Vorteilsnahme, des Besitzes von Kinderpornographie, der Nötigung eines Verfassungsorgans, des Geheimnisverrats bis zum Betrug reicht die Palette der erhobenen Vorwürfe. Allen Verfahren ist gemeinsam, dass aktive Politikerinnen und Politiker in das Fadenkreuz strafrechtlicher Ermittlungen gerieten, wobei in vier Fällen das Strafverfahren zumindest mitverursachend für das Ende der  jeweiligen politische Karriere war. Lediglich im Falle Patrick Breyers endete das  Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Geheimnisverrats mit einer Einstellung bereits in einem sehr frühen Stadium, so dass er es politisch weitgehend unbeschadet überstand.

Bemerkenswert an den übrigen Fällen ist, dass der „Ertrag“ der Strafverfahren letztlich ein Ende der politischen Tätigkeit der Betroffenen nicht zwingend erforderlich zu machen scheint. Wulff wurde freigesprochen, die Vorwürfe gegen Edathy reichen für eine Verurteilung offenbar nicht aus, weswegen die einschlägigen Strafvorschriften zur Zeit verschärft werden sollen. Das Verfahren gegen Frau Gaschke wurde nach kurzer Zeit mangels Tatverdacht eingestellt und auch im Falle Wende kann man die Prognose wagen, dass zumindest im Bereich des subjektiven Tatbestands, also beim Nachweis eines Vorsatzes so viele Zweifel bleiben werden, dass mit einer Verurteilung nicht zu rechnen ist .

Dabei ist schon klar, dass in den Fällen Wulff, Edathy, Gaschke und Wende es andere Faktoren waren, die letztlich das Ende der politischen Existenz herbeiführten: persönlich und moralisch fragwürdige Verhaltensweisen, rechtlich falsche Entscheidungen oder  gravierende Kommunikationsfehler. Die Strafverfahren stellen jedoch eine laut tönende Begleitmusik dar. Sie fungieren als wirkungsmächtige Kulisse für eine öffentliche Skandalisierung, geben den jeweiligen Affären erst die richtige Würze und garantieren mediale Aufmerksamkeit ohne Ende.

Klar ist auch: man wird an Politikerinnen und Politiker wegen ihrer herausgehobenen Stellung und Vorbildfunktion andere, strengere Maßstäbe anlegen müssen als bei „normalen“ Menschen. Das Strafrecht definiert ja nur ein moralisches Minimum. Nicht alles, was strafrechtlich noch hingenommen werden muss, kann man dem politischen Führungspersonal folgenlos durchgehen lassen.

Dennoch hängt an allen erwähnten Fällen ein schaler Beigeschmack:

Auf der Ebene des Politikbetriebs bleibt der Verdacht, dass von interessierter Seite die strafrechtlichen Ermittlungen als Vehikel benutzt wurden und werden, eine politisch nicht erwünschte Position anzugreifen, ihre Vertreter zu richten und final in Misskredit zu bringen. Dies gilt namentlich für die Verfahren gegen Gaschke, Breyer und Wende. Der Einsatz des Strafrechts kommt in den Ruch der  Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Der Kopf der politisch verantwortlichen Person wird dabei zur Trophäe im Meinungskampf.

Andererseits werden die Strafermittlungsbehörden mit dem Vorwurf konfrontiert, sich genau für dieses Spiel einer politischen Opposition instrumentalisieren zu lassen. Ihr gelegentlich außerordentlich forsches Vorgehen gegen Verdächtige aus dem politischen Raum offenbart das Bestreben, überkompensatorisch dem Ruf  entgegenzuwirken, man verfolge die Kleinen  und lasse die Großen laufen. Am Ende des Prozesses gegen Wulff kam z.B. die öffentliche Meinung einhellig zu dem Ergebnis, die Staatsanwaltschaft habe sich von Anfang an verrannt, während man zu Beginn der Ermittlungen überwiegend ihr konsequentes Vorgehen gegen einen amtierenden Bundespräsidenten goutierte. Auch im Falle Edathy war die steile These der Hannoveraner Staatsanwaltschaft, dass derjenige, der strafrechtlich nicht relevante Posingbilder besitzt, regelmäßig auch härtere Kinderpornographie konsumiert, eigentlich eine Rechtfertigungsstrategie, um die unter dem Gesichtspunkt des hinreichenden Anfangsverdachts rechtlich mehr als fragwürdige Hausdurchsuchung bei einem noch unter Immunität stehenden Bundestagsabgeordneten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen.

Es bleiben beunruhigende Frage: gibt es für amtierende Politiker und Politikerinnen eine schärfere Definition für einen strafrechtlichen Anfangsverdacht als für andere Menschen ?

Bleibt die Unschuldsvermutung als zentrale Errungenschaft einer rechtsstaatlichen Strafverfolgung für Politikerinnen und Politiker ein leeres Versprechen ?

Gerade der in der Affäre Wara Wende von allen Seiten immer wieder betonte Satz, selbstverständlich gelte auch für eine Bildungsministerin die Unschuldsvermutung, klingt hohl. Bei genauer Betrachtung des Verlaufs der Geschehnisse in Kiel wird eher deutlich, dass die Kategorie der Unschuldsvermutung im politischen Alltagsgeschäft z.B. für Regierungsmitglieder letztlich keinen Pfifferling wert ist.

Denn die konsequente Beachtung der Unschuldsvermutung im Strafverfahren erfordert, dass Ermittlungsbehörden und Gerichte ’sine ira et studio’ - also ohne Zorn und Eifer - objektiv alle belastenden und entlastenden Umstände erforschen und abwägen, dabei die  Persönlichkeits- und Datenschutzrechte  der beschuldigten Person beachten, die Möglichkeit des Nachweises der Unschuld bis zuletzt offen lassen, um zum Schluss zu einem gerechten und angemessenen Urteil zu gelangen. Dieser Prozess kann unter Umständen sehr lange dauern, gelegentlich mehrere Jahre. Gerade im Ermittlungsverfahren ist die öffentliche Einmischung und Beeinflussung zu Recht unerwünscht und tunlichst zu vermeiden.

Eine solche geduldige und objektive  Herangehensweise ist dem politischen Alltagsgeschäft und seiner medialen Aufbereitung aber völlig fremd, vor allem wenn sich seine Protagonisten auf einem heftig umstrittenen Politikfeld wie der Bildungspolitik tummeln. Hier muss das Eisen kräftig geschmiedet werden, so lange es noch heiß ist. Das schnelle, möglichst pointierte Urteil, die eindeutige Bewertung, meist verbunden mit einer verbalen Abwertung des politischen Gegners ist Trumpf. Um die erforderliche Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit und der Presse zu erhalten, ist Überspitzung angesagt. Der Stab ist schnell gebrochen. Die Einmischung des interessierten Publikums in den Meinungsstreit ist geradezu konstitutiv für den demokratischen Prozess.

Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren steht seinem Wesen nach den zuvor geschilderten Gegebenheiten des Politikbetriebes aber diametral entgegen. Vor einer Gerichtsverhandlung sollte es von der Öffentlichkeit abgeschirmt und idealer Weise weitestgehend unbeeinflusst durchgeführt werden.

Darin liegt die Crux des Aufeinandertreffens von Politik und Strafermittlung.

Die Politik hat keine Geduld, das Ergebnis eines langwierigen strafrechtlichen Verfahrens bis zur letzten Instanz abzuwarten. Man braucht schnelle Informationen, entweder um abschätzen zu können, ob die betroffene Person noch in ihrem Amt zu halten ist. Oder man hat das Interesse, das Thema am köcheln zu halten und den betroffenen politischen Gegner zu zermürben. Gleichzeitig werden dadurch an die Ermittlungsbehörden mindestens unbewusst und unausgesprochen Erwartungen in die eine oder andere Richtung adressiert. 

Der Fall der Wara Wende ist in jeder Hinsicht ein Lehrstück für diese ungute Gemengelage.

Da droht ein als Rechtsanwalt tätiger Oppositionspolitiker bei bekannt werden der von Frau Wende ausbedungenen Rückkehroption an die Uni Flensburg schon früh mit einer Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Als die Presse nach geraumer Zeit nachhakt, was denn nun mit seiner Anzeige sei, versichert dieser, er wolle das lieber der Staatsanwaltschaft selber überlassen. Diese meldet kurze Zeit später tatsächlich den Vollzug.

Alle reden darauf hin von Unschuldsvermutung für Frau Wende. Als der Ministerpräsident sich jedoch das Recht nimmt, diese tatsächlich ernst zu nehmen und auch im Falle einer Anklageerhebung zur Ministerin zu stehen, bricht im Landtag und in den Medien die Hölle los.

Eine Hausdurchsuchung bei Frau Wende persönlich, im Bildungsministerium und in der Staatskanzlei einschließlich Beschlagnahme von Festplatten und Mitnahme von Mitarbeiterhandys erfolgt auf Grundlage eines Durchsuchungsbeschlusses, ohne dass die Staatsanwaltschaft zuvor die Vorlage der Behördenakten verlangt hätte. Dazu wäre sie nach Ansicht von Strafjuristen aber vor Einleitung der erheblich grundrechtsinvasiven Maßnahme einer Hausdurchsuchung verpflichtet gewesen, zumal eine Vertuschung in den Behördenakten nicht mehr möglich gewesen war, weil diese schon komplett dem Bildungsausschuss zur Einsicht vorgelegen hatten.

Als überraschend doch der Rücktritt von Frau Wende kommt, wird sofort gemutmaßt, die Ermittlungen müssten etwas gravierend Belastendes zu Tage gebracht haben. Tatsächlich geistert kurze Zeit später ein nicht unterzeichnetes Dokument  durch die Medien, dessen strafrechtliche Verwertbarkeit zumindest fraglich ist. Mit Genehmigung der Staatsanwaltschaft wurde der Inhalt dieses Schreibens dem Ministerpräsidenten vertraulich mitgeteilt. Es soll Gegenstand des Gespräches gewesen sein, an dessen Ende die Demissionierung der Ministerin stand. Jetzt will die Opposition den Ministerpräsidenten vom Landtag dafür missbilligen lassen, dass er bei der öffentlichen Kommentierung des Rücktritts nichts von diesem Dokument erwähnt hat, sondern darauf abstellte, Frau Wende habe sich dem Druck des Ermittlungsverfahrens im laufenden Amt nicht mehr aussetzen wollen.

Was aber wäre geschehen, wenn Torsten Albig unbefugt über den Fund im laufenden Ermittlungsverfahren öffentlich berichtet hätte ? Auch dies hätte – berechtigt – einen Sturm der Entrüstung losgetreten.

Neugierig geworden, möchte die Opposition jetzt den Wortlaut des Durchsuchungsbeschluss erfahren. Persönlichkeitsschutz und Datenschutz der Beschuldigten spielen keine Rolle, obwohl sie bereits zurückgetreten ist. Offenbar erwartet man sich vom Inhalt des Beschlusses neues Skandalisierungsmaterial, diesmal direkt gegen den Ministerpräsidenten, denn Frau Wende hat man ja schon „erlegt“.

Das alles ist ziemlich durchsichtig und hat mit Fairness gegenüber einer Beschuldigten und Rücksichtnahme auf ein geordnetes strafrechtliches Verfahren nicht mehr viel zu tun.

Was folgt daraus ? Natürlich haben die Opposition, die Medien und die Öffentlichkeit ein Recht darauf, darüber informiert zu werden, wenn ein Strafverfahren gegen ein Regierungsmitglied, eine Oberbürgermeisterin oder einen Abgeordneten eingeleitet wird. Und natürlich besteht ein Recht darauf, darüber zu diskutieren, ob der mit dem Verfahren verbundene Strafverdacht mit der Beibehaltung der Amtsgeschäfte oder der Abgeordnetentätigkeit kompatibel ist.

Damit muss dann aber auch Schluss sein! Denn alle darüber hinaus gehende Verdächtigung, Skandalisierung, Spekulation, interessierte Einmischung und Stocherei im Nebel birgt nur die Gefahr, das Vertrauen in die Integrität des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und seine rechtmäßige Durchführung zu gefährden.

Genau so problematisch ist eine weitere Folge: die Glaubwürdigkeit der politischen Funktionsträgerinnen und Träger  wird insgesamt untergraben, wenn in der strafrechtlichen Ermittlungsphase die große Skandalisierungsmaschine angeworfen wird und am Schluss heraus kommt, dass alles wohl doch nicht so schlimm war, zumindest eine strafrechtliche Verurteilung nicht im Raum steht. Viel Lärm um nichts, aber was bleibt, ist der Eindruck beim Publikum, Politik sei ein schmutziges und kriminelles Geschäft. Daran kann eigentlich keiner ein Interesse haben, auch die Opposition nicht.

 

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